Nicht nur im Beruf kann man Teilzeit arbeiten. Seit ein paar Jahren bieten einige Arbeitgeber die Möglichkeit, bereits die
Ausbildung in verkürzter Form zu absolvieren.
VON KATHARINA SCHULTZ
Nach dem Abschluss der Hauptschule wurde Annabelle
Wüstners Tochter geboren. Von einer Freundin erfuhr die alleinerziehende Mutter von der Möglichkeit einer Teilzeitausbildung. Seit Januar dieses Jahres arbeitet die 21-Jährige als
Bäckereifachverkäufer-Azubi bei der Bäckerei Scholl. Statt 40 Stunden muss Annabelle nur 22 Stunden in der Woche hinter der Theke stehen und, wie andere Azubis auch, weitere acht Stunden die
Berufsschule besuchen. Wochenenddienste bleiben ihr völlig erspart. „Dadurch kann ich mehr Zeit mit meiner Tochter verbringen“, sagt die Oberroterin. Ohne dieses Modell hätte sie keine Ausbildung
begonnen. „Das hätte sich nicht mit meiner Tochter vereinbaren lassen.“ Nun ist es so, dass sie ihren dreieinhalbjährigen Nachwuchs vor der Arbeit in die Kita bringt, über Mittag übernimmt ihre
Mutter die Betreuung. „Für junge Mütter ist die Herausforderung in eine Ausbildung einzusteigen umso größer“, weiß ihr Chef Hennig Scholl. „Desto mehrstehen wir hinter ihr.“ Das Handwerk hat es
weiterhin schwer, Nachwuchs zu finden: „Auch wir werden nicht mit Azubis überschwemmt“, sagt
Hennig Scholl. Unter circa 250 Mitarbeitern, die sich auf 24 Filialen verteilen, sind derzeit fünf Azubis im Verkauf und ein Bäckerlehrling. Annabelle Wüstner ist bereits die zweite
Teilzeit-Auszubildende der Bäckerei. „Die Qualität der Ausbildung leidet keineswegs darunter. Wir haben gute Erfahrungen damit“, sagt der Geschäftsführer. Seine erste Teilzeit-Auszubildende ist
heute immer noch im Unternehmen, weiterhin – auf eigenen Wunsch – in Teilzeit. Ob Teil- oder Vollzeit, die Erwartungen an die Lehrlinge bleiben dieselben. Freundlich und zuverlässig sollen sie
sein, die Noten in der Berufsschule müssen stimmen. Nach der dreieinhalbjährigen Ausbildung will Annabelle auf jeden Fall berufstätig bleiben: „Ich möchte meiner Tochter schließlich etwas bieten
können.“ Vollzeit will sie erst dann arbeiten, wenn ihre Kleine in der Schule ist.
Was ist eigentlich eine Teilzeitausbildung?
Bei der Teilzeitausbildung wird die wöchentliche Ausbildungszeit auf 20 bis 35 Stunden reduziert. Voraussetzung dafür ist, dass ein berechtigtes Interesse vorliegt, zum Beispiel die Betreuung
eines eigenen Kindes. Außerdem muss zu erwarten sein, dass das
Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht wird. Ob sich die Dauer der Ausbildung verlängert, ist von Fall zu Fall unterschiedlich.
Das Modell wurde 2005 im Berufsbildungsgesetz verankert. Noch immer wird wenig Gebrauch davon gemacht: In 2014 durchliefen
insgesamt 5793 Lehrlinge eine Ausbildung in Teilzeit.
Mehr zum Thema unter www.jobstarter.de/ausbildung-in-teilzeit
Alltagsbetreuer in Teilzeit gesucht
Frauen mit Kindern, die sich beruflich neu orientieren möchten, haben ein größeres Interesse an einer Teilzeitausbildung im Gesundheitsbereich. Auf diese Erfahrung der Agentur für Arbeit
reagiert die Sibilla- Egen-Schule in Hall. Ab September ist die Ausbildung
zum Staatlich anerkannten Alltagsbetreuer an derHauswirtschaftlichen Schule auch in Teilzeit möglich. Die Betreuer unterstützen pflege- und betreuungsbedürftige Menschen im Alltag, zum Beispiel
bei Arztbesuchen oder im Haushalt. Eine Bewerbung für die Ausbildung in Teilebenso
wie in Vollzeit ist bis zum 30. Juni möglich. In Teilzeit verlängert sich die Ausbildung um ein Jahr und dauert damit drei Jahre.
Mehr Infos gibt es unter www.sibillaegen-schule.de